Auf die Eigentümerstruktur kommt es an – Familiengeführte Unternehmen

02. Februar 2024

Artikel auf V-CHECK.DE

Laut Family Business Index 2023 (Universität St. Gallen und Ernst & Young) wachsen die 500 größten familiengeführten Unternehmen beinahe doppelt so schnell wie die globale Wirtschaftsleistung. Sie erwirtschafteten im Beobachtungszeitraum 8,02 Billionen USD Umsatz und beschäftigten 24,52 Millionen Menschen in 47 Ländern. Zum Vergleich: im Jahr 2022 erwirtschaftete Japan ein Bruttoinlandsprodukt in Höhe von 4,2 Billionen USD und rangierte dabei an dritter Stelle der größten Volkswirtschaften, hinter den USA und China.

Diese Zahlen verdeutlichen die Bedeutung von familiengeführten Unternehmen für die globale Wertschöpfung. Branchengrößen wie Roche, Henkel, L’Oreal, Merck oder Heineken haben mehr als ein Jahrhundert und damit unzählige Krisen überlebt. Warum sind sie langfristig erfolgreich? Welche Eigenschaften, Prozesse oder kulturellen Merkmale zeichnen sie aus?

Zunächst einmal unterscheiden sie sich von anderen Unternehmen durch ihre besondere Eigentümerstruktur. Oft halten die Nachfahren der Gründer noch immer Mehrheits- oder zumindest bedeutende Minderheitsbeteiligungen am Unternehmen und sind gleichzeitig in einer Management- oder Kontrollfunktion direkt in bedeutende Geschäftsvorgänge eingebunden. Die unternehmerischen Entscheidungen sind geprägt von Langfristigkeit und darauf ausgerichtet, dass seit mehreren Familiengenerationen angestrebte Zielbild zu verwirklichen. Die amtierende Generation schafft dabei die Voraussetzungen für die nächste Generation. Diese generationenübergreifende Verantwortung hat aus unserer Sicht potenziell positive Effekte, von denen Anleger profitieren können.

Da das Betriebsvermögen, entsprechend den gehaltenen Firmenanteilen, dem Privatvermögen der Eigentümerfamilien entspricht, werden die dafür notwendigen Ressourcen effizient, effektiv und mit einem klaren Fokus auf das Wesentliche eingesetzt. In Finanzierungsfragen zeigen sich familiengeführte Unternehmen häufig konservativ und setzen lieber auf Eigenmittel anstatt auf Fremdkapital. Dieser Umstand gibt ihnen in Krisen die Freiheit rentable Investitionen zu tätigen, um die Grundlage für zukünftiges Wachstum zu schaffen. Auch in wirtschaftlich erfolgreichen Zeiten können so vermehrt Gewinne reinvestiert werden, anstatt Gläubigerinteressen zu bedienen. Es wird nur das Geld ausgegeben, das auch erwirtschaftet wurde. Familiengeführte Unternehmen glänzen folglich oft mit Kostendisziplin und einem niedrigen Verschuldungsgrad.

Wie in einem gut diversifiziertem Aktiendepot sind traditionsreiche, familiengeführte Unternehmen häufig breit aufgestellt, sowohl geografisch als auch mit den angebotenen Produkten und Dienstleistungen. Darüber hinaus sind sie vermehrt in Branchen zu finden, die per se als krisenfest gelten, wie beispielsweise in der Konsumgüterindustrie oder der Pharmaindustrie. Das verschafft ihnen die notwendige Resilienz, um Wirtschaftskrisen oder sogar Kriege zu überstehen.

Können Unternehmerfamilien auf eine lange, erfolgreiche Historie zurückblicken, prägt dies auch die vorherrschende Unternehmenskultur. Die von der Familie vertretenen Werte, aber auch die damit verbundenen Geschichten, Erzählungen, gesetzten Prioritäten und gelebten Traditionen verleihen diesen Unternehmen den Charme und die Anziehungskraft, die es braucht, um im Wettbewerb um hochqualifizierte Mitarbeiter zu bestehen. Im Kontext des demografischen Wandels gewinnt das Humankapital, auf das ein Unternehmen zugreifen kann, zukünftig strategisch weiter an Wert.

Sind daher Investitionen in familiengeführte Unternehmen IMMER attraktiv? Nein. Auch hier gibt es Qualitätsunterschiede und leider auch Negativbeispiele. So kann der uneinsichtige, allmächtige Familienpatriarch durchaus zur Belastungsprobe für ein Unternehmen werden und einer Weiterentwicklung im Weg stehen. Anleger sollten sich daher nicht nur von der Eigentümerstruktur leiten lassen. Unternehmen mit einem resilienten Geschäftsmodell, zuverlässigen Erträgen, einem niedrigen Verschuldungsgrad und attraktiven Ausschüttungen sind für Anleger mit ausgeglichenem Rendite-Risiko-Verhältnis die erste Wahl. Eine lange, erfolgreiche Unternehmenshistorie und eine starke Eigentümerfamilie sind aber definitiv ein Hinweis, dass sich ein näherer Blick auf die Fundamentaldaten lohnen kann. Investiert werden kann beispielsweise in Einzelaktien, Unternehmensanleihen, Aktienfonds oder ETFs.