Bilanzen verstehen ohne Studium?

21. Mai 2021

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General Electric, Danone und Zalando haben eines gemeinsam: Es sind Aktiengesellschaften. Wie gut eine AG aufgestellt ist, lässt sich dem Geschäftsbericht entnehmen. Diese Kennzahlen sollten Sie kennen.

Berlin (dpa/tmn) – Die Börse ist kein Kasino, heißt es häufig. Und das stimmt in der Regel: Bei Aktien geht es nicht um Glücksspiel, sondern um realistische Gewinnerwartungen.

Daher eignen sich die Wertpapiere eher für Anleger, die sich mit den jeweiligen Unternehmen beschäftigen wollen, erklärt die Stiftung Warentest . Für den Anlageerfolg sind Informationen unerlässlich. Sie helfen bei der Entscheidung, in welches Unternehmen oder welchen Markt Anleger investieren sollten.

Aktiengesellschaften unterliegen gesetzlich vorgeschriebenen Publikationspflichten. In den Berichten finden sich immer auch eine Reihe von Kennzahlen, die einen Überblick über die Lage geben.

Fragt sich: Braucht es ein wirtschaftswissenschaftliches Studium, um Unternehmen zu bewerten? Nicht unbedingt, findet Frank Wieser. «Eine erste gute Aktienanalyse kann man auch ohne Studium durchführen», sagt der Geschäftsführer von PMP Vermögensmanagement. «Die Anzahl relevanter Kennzahlen ist allerdings groß und unübersichtlich.»

Geschäftsmodell spielt wichtige Rolle

Einsteiger sollten sich seiner Ansicht nach auf wenige Kennzahlen konzentrieren «und diese mit dem gesunden Menschenverstand kombinieren.» Eine wichtige Frage für Anleger: Ist das Geschäftsmodell des Unternehmens plausibel und verständlich?
Das sieht auch sein Kollege Maik Bolsmann so: «Bei der fundamentalen Aktienanalyse interessiert den Anleger schlussendlich der Vergleich ähnlicher Aktien innerhalb einer Vergleichsgruppe», erklärt der Geschäftsführer der B&K Vermögen GmbH. «Wenn der Anleger also immer die gleichen Bewertungsmaßstäbe heranzieht, sollten sich pragmatische Vergleichsmöglichkeiten ergeben.»
Fünf wichtige Kennzahlen, die sich in Unternehmensberichten finden:

1. EBIT, EBITDA: Diese Begriffe sind Kennzahlen für das Betriebsergebnis und bezeichnen den Ertrag vor Zinsen und Steuern sowie Abschreibungen. Hinter den Buchstaben verbergen sich die englischen Begriffe «earnings before interest and taxes» sowie «earnings before interest, taxes, depreciation and amortization».

Das Ebit gibt Hinweise auf die Rentabilität, erklärt Hermann Ecker , Vermögensverwalter bei der Bayerischen Vermögens Management AG. «Da Ebit und Ebidta aus dem Ergebnis diejenigen Faktoren herausrechnen, die mit dem Kerngeschäft zu tun haben, schärfen sie den Blick für den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens», schreiben die Ratgeberautoren Stefanie Kühn und Markus Kühn. «Steigt also das Ebit eines Unternehmens, floriert das Kerngeschäft.»

2. KGV: Das Kurs-Gewinn-Verhältnis, kurz KGV, ist eine weit verbreitete Kennzahl. Sie soll bei der Beurteilung helfen, ob der Börsenkurs einer Aktiengesellschaft angemessen ist. Berechnet wird diese Kennziffer, indem der aktuelle Börsenkurs einer Aktie durch den geschätzten Gewinn pro Aktie geteilt wird. «Je höher der Aktienkurs und desto kleiner der Gewinn, desto größer wird das KGV», schreiben Stefanie Kühn und Markus Kühn.

Die Schwierigkeit hier: Der Gewinn für die Zukunft lässt sich nur schätzen. Daher kann es je nach Schätzungen zu unterschiedlichen Werten kommen. «Als alleiniges Auswahlkriterium ist das KGV wegen der mangelnden Vergleichbarkeit des Jahresüberschusses nicht gut geeignet», erklärt daher auch Hermann Ecker.

3. KBV: Das Kurs-Buchwert-Verhältnis, kurz KBV, gibt über die Substanz eines Unternehmens Auskunft. «Es setzt das Eigenkapital geteilt durch die Stückzahl der umlaufenden Aktien in Bezug zum Kurs», erklärt Ecker. Das KBV dient also der Bewertung der Unternehmenssubstanz.
«Ein Unternehmen mit einem KBV von 1 ist also genau so viel wert wie alle bilanzierten Vermögensgegenstände», erklärt Frank Wieser. Liegt das KBV unter 1, muss man theoretisch für einen Aktienanteil eines Unternehmens weniger bezahlen, als es laut seiner Bilanz wert ist.

4. EIGENKAPITALRENDITE: Diese Kennzahl setzt den Ertrag eines Unternehmens in Bezug zum Eigenkapital, erklärt Ecker. «Es dokumentiert, wie sich das Eigenkapital in einer Rechnungsperiode verzinst hat.» Oder wie es in dem Buch «Alles über Aktien» heißt: Die Kennziffer gibt an, wie effizient ein Unternehmen das zur Verfügung stehende Eigenkapital eingesetzt hat.

5. CASHFLOW: Der Cashflow sagt aus, wie liquide ein Unternehmen ist. «Etwas genauer gibt der Cashflow den von einem Unternehmen erzielten Geldzufluss beziehungsweise Geldabfluss während eines bestimmten Zeitraums an», erklärt Ecker.

Wichtig zu bedenken: Ein negativer Cashflow muss nicht schlecht sein, denn das kann ein Hinweis auf eine starke Investitionstätigkeit eines Unternehmens sein. «Der Cashflow kann als Ratio auf den Kurs bezogen in Kombination mit weiteren Kennzahlen eine robuste Aussage hinsichtlich der aktuellen Unternehmensbewertung geben.»

Fazit: Die Kennzahlen ermöglichen es Laien, einen Einblick in die Stärke des Unternehmens zu bekommen. Eine einzelne Kennzahl allein lässt aber keine umfassende Bewertung zu. Und: Die Werte immer mit anderen Unternehmen aus der gleichen Branche vergleichen.