20. September 2021
Artikel auf „ntv.de“
Deutschland hat die Wahl: Am 26. September wird ein neuer Bundestag gewählt. Klar ist: Die Regierung wird auf jeden Fall jemand anderes führen als Angela Merkel. Was bedeutet das für Anleger?
Der Herbst dürfte spannend werden. Schließlich wird am 26. September gewählt. Wie die Wahl ausgeht – ungewiss. Nur eines ist bekannt: An der Spitze der Regierung wird diesmal nicht Angela Merkel stehen. Stellt sich die Frage: Spielt das für Anleger eine Rolle? Schließlich wird an der Börse die Zukunft gehandelt.
„Die kommende Bundestagswahl ist im Markt bisher nicht präsent“, sagt Elliot Hentov, Head of Policy Research beim Finanzdienstleister State Street Global Advisors. Will heißen: Bisher hat der Wahlkampf nicht für nennenswerte Kursbewegungen gesorgt. Ob sich das noch ändern kann? Durchaus, glaubt Hentov. „Die Unsicherheitsprämie ist nicht zu unterschätzen. Schließlich wird es auf jeden Fall Veränderung geben.“
Bundestagswahl wird oft überschätzt
Stefan Eberhardt glaubt hingegen nicht, dass es zu starken Kursbewegungen kommen wird. „Die meisten Anleger überschätzen die Relevanz der deutschen Bundestagswahl“, erläutert der Geschäftsführer der Eberhardt & Cie. Vermögensverwaltung. Egal wie das Ergebnis aussehen werde – es werde kaum einen Effekt auf internationale Kapitalmärkte haben. „Dazu ist der Einfluss Deutschlands auf ein globalisiertes Wirtschaftssystem viel zu gering.“
„Die Auswirkungen politischer Entscheidungen auf den Deutschen Aktienindex Dax sind äußerst selten“, erklärt auch Frank Wieser, Geschäftsführer PMP Vermögensmanagement. „Die letzte nennenswerte „politische Kursschwankung“ war im Jahr 1999 mit dem Rücktritt von Oskar Lafontaine als Finanzminister. Der Dax stieg damals um mehrere Prozentpunkte.“ Anders als in den USA hätten Bundestagswahlen keinen Einfluss auf den Gesamtmarkt.
Stellung in Europa ist wichtig
Allerdings: Ganz unbedeutend sind Wahlen und deren Ausgang nun auch wieder nicht: „Auf mittlere Sicht haben Wahlen durchaus Bedeutung für Anleger, da Themen wie beispielsweise Fiskalpolitik, Wettbewerbspolitik und Regulierung Einfluss auf die Entwicklung von Unternehmensgewinnen haben“, erklärt Adrian Roestel, Vermögensverwalter von Huber, Reuss & Kollegen.
Auch internationale Investoren haben durchaus ein Auge auf die politische Entwicklung in Deutschland, erklärt Elliot Hentov. Spätestens seit der Finanzkrise sei eine Bundestagswahl nicht mehr nur eine rein deutsche Angelegenheit. „Da geht es zum Beispiel um Europa oder den Euro.“ Auch die Klimapolitik spiele eine immer größere Rolle.
Daten und Marktchancen sollten Ausschlag geben
Anhand von Wahlprogrammen sollten Anleger ihre Investitionsentscheidungen nicht ausrichten, findet Jürgen Kurz. „Das ist zwar meist eine schöne Liste von Vorschlägen“, sagt der Sprecher der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. „Am Ende bleibt aber oft nur ein Teil davon übrig.“
Die Entscheidung für oder gegen bestimmte Aktien sollte sich aus Sicht der Experten ohnehin an den Fundamentaldaten der Unternehmen orientieren. „Von Interesse sind hier unter anderem die Unternehmenssubstanz, die Ebit-Marge oder auch, wie sich Erträge und Ausschüttungen in Krisenzeiten verhalten haben“, zählt Lena Lochner von der Bayerischen Vermögen Management AG beispielhaft auf.
Adrian Roestel, rät, sich auch die Marktchancen der Unternehmen anzusehen: „Ist der Markt, in dem sich ein Unternehmen bewegt, ein langfristiger, struktureller Wachstumsmarkt? Gehört das Unternehmen in diesem Markt aufgrund seiner innovativen Produkte zu den Marktführern? Hat das Management in der Vergangenheit bewiesen, dass es das Unternehmen gut führt und dauerhaft wertvoller macht? Wenn sich diese Fragen mit einem Ja beantworten lassen, dann ist das schon mal eine gute Orientierungshilfe.“
Breiter ETF eignet sich als Basis
Von möglichen Kursbewegungen vor und nach der Wahl sollte sich deshalb niemand beeindrucken lassen. „Bleiben Sie ihrer Strategie treu“, rät Jürgen Kurz. „An den Grundbedingungen, wie die Wirtschaft funktioniert, wird sich ja voraussichtlich auch nach der Wahl nichts ändern.“
Für Anleger sei es sinnvoll, ein nach Branchen und Regionen diversifiziertes Portfolio aufzustellen und durchzuhalten, rät auch Frank Wieser. „Ein permanentes An- und Verkaufen kostet nur Provisionen, die später zurückverdient werden müssen.“
Einzelne Aktien sollten aus Sicht der Stiftung Warentest ohnehin kein zu hohes Gewicht im Depot bekommen. „Das ist Gift für die Stabilität des Depots“, schreiben die Experten. Besser ist, das Geld in kostengünstige ETF zu investieren.
Als Basis für ein breit aufgestelltes Depot bietet sich ein Indexfonds auf einen weltweiten Index wie den MSCI World oder den FTSE All World an. Dass der Wahlausgang Ende September die Kurse eines solchen Index nachhaltig bewegt, ist eher unwahrscheinlich.